Bericht aus den Westfälischen Nachrichten vom 17.06.2023
Tagelang brannte zuletzt in Brandenburg der Wald. Der Boden ist viel zu trocken. Auch im Münsterland wurden in diesem Jahr schon einige Feuer in Wäldern entdeckt, etwa in Greven oder am vergangenen Wochenende auf einer kleinen Fläche in Ochtrup.
Und in Gronau? Ist es wohl nur eine Frage der Zeit, „es hat in jedem Jahr irgendwann
mal gebrannt“, sagt der stellvertretende Leiter der Gronauer Feuerwehr, Christian Wennemer. Er gilt als Experte für die Waldbrandbekämpfung. Auf diese besonderen
Brände haben sich die Feuerwehrfrauen und Feuerwehrmänner in Gronau in den ver-
gangenen Monaten verstärkt vorbereitet.
Zunächst zur Einordnung:
Zwar hat es in diesem Jahr noch nicht gebrannt, aber die Gefahr sei aktuell hoch. Der
Waldbrand-Gefahrenindex des Deutschen Wetterdienstes zeigte schon mehrfach in dieser Woche die Gefahrenstufe vier von fünf für die Umgebung an, auch am Freitag. Erst in der kommenden Woche sinkt die Gefahr wieder. „Auch bei Stufe zwei kann es schon mal brennen“, ordnet Wennemer das Bewertungssystem ein. Bei Stufe vier reiche eine kleine, menschliche Unachtsamkeit aus. Denn Waldbrände entstehen fast immer durch menschliches Einwirken wie Lagerfeuer oder Grillabende, weggeworfene Zigaretten oder Brandstiftung. Das Klischee von Glasscherben, die die Sonnenstrahlen bündeln und so das Unterholz entfachen, stimme eher nicht. „Im Wald kommt gar nicht so viel Sonne hin.“
Durch längere Trockenperioden, die durch die Auswirkungen der Klimakatastrophe
immer regelmäßiger vorkommen werden, steigt das Risiko von Waldbränden. Um dem zu
begegnen, hat die Gronauer Feuerwehr zuletzt besonderes Equipment angeschafft. Waldbrand-Experte Wennemer zeigt auf zwei große, metallene Rollwagen, auf denen Helme, Rücksäcke, besondere Schläuche und Spezialwerkzeug liegen. Zwar haben die meisten Feuerwehrwagen im neuen Gerätehaus an der Eper Straße eine Grundausstattung mit Material zur Bekämpfung von Waldbränden. Doch wenn es großflächig anfängt zu brennen, reicht die wohl nicht aus. Waldbrände seien besonders personalintensiv, weshalb viel Ausstattung benötigt wird.
Der Einsatz im Wald sei anders als bei Bränden in Wohnhäusern oder auf freien Flächen. „Der trockene Boden ist das Problem“, erläutert Wennemer, da der Boden dann kein Wasser aufnimmt. Das Wasser fließt oberflächlich ab. Selbst wenn ein Brand scheinbar an einem Tag gelöscht scheint, brennt er im Boden weiter und flammt er am nächsten Tag wieder auf.
Mit zum Waldbrand-Equipment gehören deshalb besondere Harken, sogenannt Gorgui-Tools, mit denen der Boden gelockert werden kann. Doch nur den Boden aufzugraben, reiche nicht aus. „Wir können im Wald nur auf relativ wenig Wasser zurückgreifen“, erläutert er. Sparsamkeit und Effektivität ist angesagt.
Die großen Feuerwehrfahrzeuge mit ihren dicken Tanks im Bauch passen meistens nicht über die schmalen, holprigen Waldwege. Gelöscht wird mit verlängerbaren Schläuchen und mit Löschrucksäcken. „Da passen jeweils 25 Liter Wasser rein“, so Wennemer. Das reicht oft schon aus, um einen Brandherd zu löschen.
Denn: Die Waldbrände in dieser Region haben in der Regel wenig mit dem typischen
Klischee von lichterloh fackelnden Bäumen zu tun. „Hauptsächlich sind es Boden-
feuer. So einen richtigen Waldbrand, bei dem es bis in die Baumspitzen brennt, gibt
es hier in der Region nicht.“ Solche Brände kämen an Hanglagen vor. Um die Wasserversorgung zu gewährleisten, wurden Absprachen mit mehreren, strategisch positionierten Landwirten in der Region getroffen. Diese halten im Sommer große Tanks mit mehreren Zehntausend Liter Wasser vor. Das THW könne kleine, mobile Tanks liefern, aus denen die Rucksäcke befüllt werden können. Fängt es an zu brennen, kommen direkt auch Feuerwehren aus der Region zur Unterstützung hinzu. Die Zusammenarbeit sei gut, betont Wennemer, egal ob mit den anderen Feuerwehren in NRW, im benachbarten Niedersachsen oder in den Niederlanden.
„Der Einsatz im Wald ist besonders anstrengend, das ist schwere körperliche Arbeit“, sagt Wennemer und zählt auf: Unwegsames Terrain, starke Rauch- und Rußentwicklung, die in den Augen brennt, große Hitze, da Wälder in der Regel nur brennen, wenn es draußen sehr heiß ist. „Nach 20 Minuten wird das Personal schon ausgewechselt“, dann seien die Kolleginnen und Kollegen platt und müssten sich ausruhen. Dabei kann ein Waldbrand-Einsatz gut und gerne mehrere Tage dauern.
Wegen der großen Anstrengung sei die übliche, schwere und dicke Feuerwehrkleidung
ungeeignet. Je schwerer die Ausrüstung, desto größer die Gefahr, dass die Feuerwehrleute auf ihrem Weg zum Brandherd über Äste und Wurzeln stolpern. Deshalb
wurden dünne, aber dennoch brandfeste Kleidung und besondere Helme mit rauch- und gasundurchlässigen Schutzbrillen angeschafft.
Stichwort Weg zum Brandherd: „Wir haben Drohnen im Einsatz, zur genauen Lokalisation“, sagt Wennemer. Bei den großen Gefahrenherden rund um Gronau – dem Amtsvenn und den Waldgebieten rund um den Drilandsee – sei oft nicht direkt ersichtlich, wo genau es brennt, selbst wenn Rauchwolken über den Bäumen stehen. Allgemein versuche man, bei einem Waldbrand nicht in erster Linie die Flammen zu löschen. „Man versucht, sich einen Punkt zu suchen, den man schützt und von dem aus man die Ausbreitung verhindert“, sagt Wennemer. Theoretisch wäre es das Beste, das Feuer auf diese Art schlagartig einzukreisen und so ein Ausbreiten der Flammen in allen Richtungen zu verhindern. Doch dafür reicht das Personal oft nicht aus. In den vergangenen Monaten wurden 120 Feuerwehrkräfte aus Gronau und Umgebung bei der Gronauer Feuerwehr in „Taktiken für Waldund Vegetationsbrände“ geschult. Präventiv etwas gegen Waldbrände zu unternehmen, sei schwierig. Früher wurde der Wald „aufgeräumt“, das Unterholz und kleine Pflanzen entfernt. So konnte sich dort weniger entzünden. Vereinzelt räume die Landesbehörde Holz und Wald NRW auch heute noch das Unterholz auf. Doch großflächig mache man das heute aus ökologischen Gründen nicht mehr, erläutert Wennemer. „Man soll den Wald ja noch als Wald erkennen.“